Schuldgefühle

 

Es ist still im Raum. Außer dem ticken der Uhr einem kleinen rauschen des Computer Lüfters ist nichts zu hören. Durch das Fenster hinter mir wabern verschwommene Schatten der Blätter eines Baumes. Ein Blick nach hinten verrät, das der Baum immer mehr davon verliert.

Daran und an der eisigen Kälte draußen erkennt man jetzt schon wie nah der Winter vor mir liegt.

Vor mir steht eine große Raumtrennwand mit einer schwarz-weiß fotografierten Luftaufnahme New Yorks. Irgendwie löst es melancholische Gefühle in mir aus.

Tick, tack. Tick tack. Die Zeiger der Uhr schlagen weiter im Rhythmus. Irgendwie beängstigend. Egal was ich tue, die Zeit läuft weiter. Mit oder ohne mich. Einen Moment still sitzen und lauschen. Das ist was ich mir den ganzen Tag schon gewünscht hatte. Einen Moment sitzen und einfach nur Ruhe um mich.

Nun scheint ein Sonnenstrahl direkt in mein Gesicht. Was für ein herrliches Gefühl.

Darf ich das überhaupt noch? Mich gut fühlen? Noch vor ein paar Stunden hatte ich bitterlich geweint. Bin unter all dem Druck über mir zusammen gebrochen. Wie lange noch? Wie lange kann ich es denn noch verheimlichen? Für immer? Ist es das was ich will? Kann ich das verantworten? Ich meine, zumindest für mich. Für mein Gewissen. Hab ich denn ein Gewissen?

Wenn andere wüssten was ich getan habe. Wenn meine Mutter das erfahren würde. Meine Schwester, mein Bruder, meine ganzen Freunde. Niemand würde mehr den gleichen in mir sehen. Und doch bin ich der gleiche. Der gleiche wie immer. Nur um einen Moment meines Lebens verändert.

Beraubt? Beschenkt? Was gibt mir das? Gibt es mir was? Nimmt es nicht viel mehr? Kann man nicht in allem etwas gutes sehen? Was habe ich von dieser Tat?

Ein Gefühl der Macht. Kontrolle. Ich weiß jetzt, niemand kann mir mehr etwas anhaben. Ist das so? Ich will es jedenfalls Wahrheit sein lassen. Ich habe Grenzen überschritten. Ein Geheimnis, das niemand je erfahren darf. Niemand je erfahren wird. Jetzt, wo es einmal getan ist, wieso sollte ich mich scheuen es noch einmal zu tun? Bin ich nicht sowieso verdammt? Verdammt in alle Ewigkeit?

Wenn die Schauergeschichten Wahrheit sind. Ja dann. Aber wer weißt das schon so genau. Jetzt ist es eh zu spät. Was kann ich noch gutes herausholen? Ich kann es wieder tun. Ich kenne jetzt das Gefühl, das ES verleiht. Wichtig ist nur ruhig zu bleiben. Lernen damit umzugehen. Ich bin mein eigener Herr. Mein eigener Gott. Niemand kann mir was. Niemand wird mich je mehr verletzen.

Und wenn doch? Dann schlage ich zurück. Ich habe einmal gemordet, ich kann es wieder tun!

 

Meine Gedanken verlaufen sich wieder in der Stille um mich herum. Dann fällt mein Blick auf den kleinen schwarzen Fleck auf meinem Schreibtisch.

Was sie wohl gedacht hat in ihren letzten Sekunden? Ob sie das überhaupt jemals konnte?