Momente_ER

 

Ich sitze hier neben ihr. Wir haben beide seit ein paar Stunden frei und wissen nicht was wir tun sollen. Es ist äußerst interessant wie zwei Menschen ihre Zeit mit Schweigen verbringen können ohne sich zu langweilen. Was denkt sie gerade nur über mich? Sie blickt aus dem Fenster raus, versunken in tiefe Gedanken. Eine sanfte Brise weht dort durch die Bäume und lässt deren Blätter wie lebendig erscheinen. Zumindest von den Bäumen die um diese Jahreszeit noch Blätter tragen. Es ist Mitte Februar und bis vor ein paar Minuten hat die Sonne noch unaufhaltbar geschienen. Nun wirkt sie wie abgedämpft unter dem Schleier von grau-bläulichen Wolkenwänden.

Ich hatte mich vor einigen Minuten neben Sie gesetzt. Sie saß dort so alleine auf dem Flur. Bis auf eine kurze Begrüßung und dem oberflächigen Austauschen unseres derzeitigen Befindens haben wir uns nur angeschwiegen. Ich beobachte ihre Hand die entspannt auf ihrem Sessel lehnt. Was für weiche, zarte Hände sie doch hat. Mein Blick gleitet über ihren Körper hoch zu ihrem Hals. Ihr Hals wirkt auf mich wie die perfekte Verbindung ihres wunderbar bezaubernden Gesichts zu ihrem Verstand. Es wirkt für mich wie eine Sinfonie, eine nahezu perfekte Verschmelzung von weiblichen Kurven zu einem weltgewandten, überlegten Verstand. Und ihr zarter Hals, der verstärkt durch ihre nach hinten gebundenen Haare zum Vorschein tritt verbinden diese zwei wunderbaren Elemente. Ach, wenn ich ihn doch berühren könnte. Sie berühren könnte. Ich genieße diesen Moment. Suche Augenkontakt. Doch sie bleibt in Gedanken versunken, halb abgewandt von mir. Mag sie mich? Empfindet sie etwas für mich? Ich sollte ein Gespräch beginnen. Durch einen Dialog mit ihr könnte ich zumindest etwas Interesse für mich erwecken. Meiner Meinung nach bringt mein Aussehen Frauen nicht gerade dazu sich zu mir hingezogen zu fühlen. Ich bin nicht gerade der hübscheste Kerl. Doch zumindest weiß ich mich auszudrücken. Durch meine Sprache vielleicht genau das wieder wett zu machen. Doch sie weiß das . Wir sind uns schon öfter begegnet. Ich hatte bisher oft genug die Möglichkeit mit ihr Gespräche zu führen. Sehr interessante Gespräche. So empfand ich es jedenfalls. Zudem versuche ich durch Dinge wie Türen aufhalten, oder anderen Höflichkeiten Punkte bei ihr zu sammeln.

Sie sieht sehr glücklich aus. Sehr entspannt, als hätte sie heute einen wunderbaren Tag gehabt. Als säße sie nur hier am Fenster um Gott dafür zu danken. In sich zu gehen und in Ruhe zu verweilen. Vielleicht beginne ich einfach ein Gespräch. Eine Unterhaltung über das wunderbare Bild, dass sich uns dort draußen offenbart. Dieser Wunderschöne Wintertag der einen wie ein Frühlingsmorgen erscheint.

Ja, ich breche jetzt das schweigen. Doch sie erhebt sich. Gerade in dem Moment als ich meinen Entschluss gefasst habe. „Du, danke für deine Gesellschaft. Ich muss leider schon wieder los, sonst könnt ich hier noch ewig herumsitzen. Mach´s gut bis auf bald!“

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von mir. Ihre Worte verbunden mit dem perfekt weißen lächeln das sie mir dabei zuwarf ließen mich erstarren. Ich dachte für einen Moment mein Herz bliebe stehen. Das merkte sie Gottseidank nicht, denn ich blieb sehr ruhig dabei. Mit einem lachen auf dem Gesicht und verabschiedenden Worten ließ ich sie gehen. Doch ich konnte meinen Blick nicht von ihr wenden, bis sie schließlich mit ihrem engelsgleichen Gang hinter einem Türrahmen verschwand. Was für ein wundervoller Moment das mit ihr doch war. Und wie Schade das dieser nun vorüber ist.

 

 

Momente_Sie

 

Mein Tag lief einfach absolut daneben. Ich hatte kaum geschlafen und musste auch noch bis vor einer Stunde arbeiten. Zudem fühle ich mich gerade absolut hässlich. Ich fand morgens keinerlei Zeit mich vor dem Spiegel anständig herzurichten. Ich brauchte einfach diesen Moment hier für mich. Alleine. Hier auf dem Flur dieses Hauses, mit gutem Blick auf die Natur dort draußen. „Hey du, na wie geht’s dir heute so?“ Oh, nein. Ich hatte gar nicht bemerkt wie dieser Typ auf mich zugekommen war. Und was wollte er jetzt nur von mir? „Darf ich mich zu dir setzen?“, er fragte das auf eine Art und Weise bei der ich einfach nicht verneinen konnte. Doch musste das sein? „Klar doch, mir gehören die Sessel hier schließlich nicht“

Er setzte sich zufrieden auf einen Sitz neben mir und fragte: „ Wie war dein Tag denn so?“ „Och, ganz okay. Ich habe lang gearbeitet.“ Ich hatte keinerlei Lust das Gespräch weiterzuführen, also schwieg ich. Und das tat er zu meiner Beruhigung auch. Ich versuchte ihn zu ignorieren und starrte aus dem Fenster. Man merkte, dass es Winter war. Die meisten Bäume dort draußen wirkten karg und auch wenn heute ein verhältnismäßig warmer Tag war, so wirkte dieser einfach so deprimierend. So einsam und leer. Nein, ich mochte das Wetter nicht. Die Sonne war durch hässlich graue Wolken verdeckt und der Wind ließ einen durch minusgrade erschaudern. Wieso starrt er mich jetzt bloß an? Er sagt kein Wort. Und doch sitzt er da als würde er gerne reden. Bloß nicht. Das letzte mal als ich ihn traf, textete er mich so sehr mit belanglosen Themen zu, dass ich es heute noch bereue. Durch sein doch recht gutes Aussehen hatte ich mir ja anfangs noch gedacht, das könnte ein ganz netter Typ sein. Aber durch seine aufdringliche Art und sein absolut schleimiges Getue wirkt er heute nur noch komisch auf mich. Das schlimmste ist es ja jedes Mal wenn er versucht mir Türen aufzuhalten, aber durch sein tollpatschiges Verhalten diese ständig versperrt. Absolut peinlich.

Und jetzt? Was fällt ihn überhaupt ein sich neben mich zu setzen? Mich so komisch anzustarren? Ich fühl mich sowieso schon so hässlich heute, wieso lässt er seine Augen nicht woanders hingleiten? Eine Zeit lang schwieg er mich noch an. Ob ihn überhaupt bewusst war wie sehr er mich störte?

Letztendlich ist es mir egal. Ich will hier weg. „Du, danke für deine Gesellschaft. Ich muss leider schon wieder los sonst könnt ich hier noch ewig herumsitzen. Mach´s gut, bis auf bald!“

 

Ich hatte keinerlei Interesse ihm die Wahrheit zu sagen, also log ich und setzte mein schmierigstes Lächeln ein. Keine Ahnung, was mit ihm plötzlich war, aber er wirkte ziemlich nervös und lief fast rot an. „Ja, ich fands auch toll, bis bald“ Er verabschiedete sich irgendwie komisch. Naja, mit so einen unsicheren Tonfall. Dann ging ich einfach und versuchte dabei keinen Blick nach hinten zu riskieren. Als ich dann endlich hinter der nächsten Türe verschwand atmete ich auf und machte mich auf die Suche nach einem ruhigeren Platz um diesen absolut beschissenen Tag ausklingen zu lassen der durch diesen doofen Moment gerade einen noch langweiligeren Touch bekommen hatte.